Boston 11 im Test

 

Erst letztes Jahr hatte ADIDAS sein Erfolgsmodell BOSTON komplett neu „erfunden“… und dieses Jahr erscheint bereits das „Update“ mit dem BOSTON11. Der Boston10 ist ein wahrlich gelungenes Einstiegs-Modell für Carbon-Laufschuhe im Adidas-Sortiment. Er besitzt einige Features der Top-Modelle, aber es gab auch ein paar Punkte, die Optimierungspotential bieten. Inwieweit der BOSTON11 (B11) eine Revolution, eine Evolution, oder „nur“ ein Update ist, soll der nachfolgende Testbericht zeigen. Shop4runners hat mir den BOSTON11 zur Verfügung gestellt, damit ich diesen unabhängig von etwaigen Herstellerinteressen testen konnte.

 

OPTIK und VERARBEITUNG:

Der B11 besitzt eine schnelle schon klassische Optik (CRYSTAL WHITE / Night Metallic / Linen Green). Um ehrlich zu sein habe ich ihn sogar einige Male als Sneaker benutzt… Andere Farbvarianten werden angeboten. Mir gefallen überwiegend weiß designte Laufschuhe sehr gut, erinnern diese doch ein wenig an die „gute alte Zeit der 80er und 90er“ Jahre!

Die Verarbeitung ist wie beim Vorgänger sehr gut, der intelligente Materialmix, insbesondere auch mit der „Dual-Density-“ Mittelsohlen-Konstruktion zeugt von einer durchdachten und hochwertigen Konstruktion & Material-Auswahl.

 

TECHNISCHE DATEN:

Der BOSTON11 wiegt in US12,5,/ EU 47 1/3 weiterhin hohe 353g. Leider hat Adidas nicht an der „Gewichtsschraube gedreht“ und den B11 einer „Diät“ entschieden. Somit geht natürlich etwas an Dynamik verloren – dazu unten mehr. Die Sprengung beträgt auch wieder ca. 8,5mm, bei einer Bauhöhe von ca. 39,5 zu 31mm.

 

TECHNISCHE HIGHLIGHTS:

Der B11 besitzt weiterhin einige High-End-Features der Top-Modelle (Takumi Sen8 und Adios Pro2).

 

UPPER:

Hier bietet der Boston11 erneut eine „Primegreen Austattung“ – es besteht aus min. 50% recycelten Materialien - mit einem speziellen Mesh-Obermaterial. Dieses wirkt auf den ersten Blick wie eine perforierte „Tesa Folie“ und ist schnell durchsichtig (es ähnelt ein wenig dem neuen Celermesh2.0 des Adizero Adios Pro2).

Im Vorfuß- und unterem Schnürbereich sind relativ dicke, kunstlederartige Verstärkungen verarbeitet.
Im Mittelfußbereich wurden mediale Verstärkungen durch Hotmelts implementiert, welche die Fußfixierung unterstützen sollen.

Das Obermaterial ist beidseitig durch eine sockenartige Innen-Schuhkonstruktion aus angenehmen, soften Mesh ausgestattet und erhöht somit den Komfort und die Passform. Da die gut gepolsterte Zunge (somit) vernäht und quasi integriert ist, kann selbige nicht verrutschen.

 

 

MITTELSOHLE:

Die Mittelsohle besitzt die bekannte Dual-Layer-Konstruktion. Der Top-Layer besteht aus dem High-End-Material LIGHTSTRIKE PRO, der Base-Layer das aus dem „normalen“ Lightstrike. Der Rückfußbereich wird durch einen überwiegenden Anteil des Lightstrike (und einer Carbon-Platte, su) stabilisiert, wohingegen der Vorfußbereich mit einem „optischen“ Anteil von ca. 70% für eine tolle Dämpfung und Energie-Rückgabe sorgen soll. Hier wäre eine Mittelsohle aus 100% Lightstrike Pro aus Gewichts- und Performancegründen wünschenswert.

 

Carbon-Platte und Energiestäbe:

Wie im Spitzenmodell ADIOS PRO 2 wurde auch im Fersenbereich eine Carbonplatte integriert, welche den Schuh zusätzlich – insbesondere aufgrund der enormen Bauhöhe – stabilisieren soll. Besonderheit ist hierbei, dass sich die Heel-Plate direkt unterhalb der Einlegesohle, also OBEN auf der Mittelsohle (positioniert) befindet und vom Rückfuß bis an den Mittelfußbereich reicht (Adidas selbst erwähnt diese Platte allerdings nicht auf seiner Website).

Im Mittelfuß- und Vorfußbereich übernehmen dann die bewährten ENERGY-RODS (allerdings nicht aus Carbon, sondern aus einem speziellen Kunststoff oder Nylon) die Aufgabe, den Abrollvorgang noch einmal deutlich zu unterstützen.

Diese „metatarsalen Rods“ bilden hierbei quasi eine biomechanische Verlängerung der Ossa metatarsalia („Mittelfußknochen“), stützen selbige zum einen ab und bieten – in Verbindung mit den Mittelsohlenschäumen – aufgrund der gelungenen, leicht gebogenen Form einen spürbaren Push-Effekt.

 

Außensohle:

Wie beim B10 steuert Continental eine leicht profilierte, segmentierte Außensohle, sowie seitliche Fersen-/Abriebs-Verstärkungen bei. Die Außen- & Mittelsohle wurde medial mit einem deutlichen „Cutout“ versehen, welcher eine Gewichtsersparnis erzielen soll, ohne dabei Stabilität zu verlieren.

 

 

 

PASSFORM / Anprobe:

Der B11 ist weiterhin „Adidas-typisch“ leicht schmal geschnitten, jedoch nicht so sportlich-eng wie die Top-Modelle! Der Zehenbereich bietet ausreichend Platz.  Somit dürfte er nicht nur für schmale, sondern auch für normale/breite gute Füße geeignet sein.

Die Schnürung ist allerdings leicht „hakelig“, so dass man die „baumwollartigen“ Schnürsenkel einzeln an den „Kreuzungen“ und Schnürlöchern von unten nach oben „nachziehen“ muss, wenn man den Fuß sauber im Schuh fixieren möchte. Dies ist jedoch in aller Regel nur einmalig der Fall (bei anderen Schuhen „rutschen“ die Schnürsenkel jedoch deutlich leichter durch die Löcher).

Ich musste wie beim Vorgänger auf die sogenannte „Marathon-Schnürung“ zurückgreifen, um einen richtig guten „Lock-In“ im Schuh zu gewährleisten. Die Fersenkappe ist gegenüber dem B10 noch einmal verstärkt worden und die Polsterung wurde am Kragen und der Ferse deutlich reduziert. Befürchtungen, dass dies zu Problemen führen würde, bewahrheiteten sich jedoch NICHT. 

 

ATMUNGSAKTIVITÄT:

Durch den sockenartigen „Innenschuh“ ist der Boston11 lediglich mittelmäßig atmungsaktiv und etwas „warm“. Im Sommer sollte man daher auf dünne und atmungsaktive Socken zurückgreifen.

 

GRIFF:

Die leicht profilierte Außensohle bietet sehr guten Grip auf Asphalt und kann auch gut auf leichten Wald- und Feldwegen (bei Trockenheit) eingesetzt werden. Bei Nässe ist immer etwas Vorsicht geboten. Matsch sollte man eher meiden.

 

STABILITÄT:

Trotz seiner enormen Bauhöhe von ca. 39,5/31mm ist er für einen Carbonschuh sehr stabil! Diese besondere Stabilität rührt wahrscheinlich daher, dass -wie oben beschrieben- die Carbonplatte oben auf die Mittelsohle geklebt wurde, so dass sie quasi direkt ihre stabilisierende Wirkung (zusammen mit dem relativ straffen Lightstrike-Schaum) erzeugen kann. Die Torsonsfähigkeit des B11 ist aufgrund der zweigeteilten „Plate&Rod-Konstruktion“ und dem Cut-Out möglicherweise höher als bei einigen anderen Carbon-Laufschuhen mit durchgehender Platte.

Insgesamt ist der Boston11 mMn somit nicht nur für Vor-& Mittelfußläufer, sondern auch für Fersenläufer geeignet! Dies macht ihn zu einer interessanten Alternative, zumal viele „Carbon-Konkurrenten“ an mehr oder weniger großen „Stabilitätsdefiziten“ leiden.

 

HALTBARKEIT:

Da die Gesamtkonstruktion kaum vom Vorgänger abweicht, sollte der B11 auch für > 600-800km - je nach Einsatzzweck, Läufer und Laufstil, sowie Untergrund – „gut sein“. Bei groben Schotter-Steinen könnten die „freigelegten“ RODs jedoch beschädigt werden. Hier sollte man auch etwas aufpassen. Im Rahmen eines Testzeitraums (ca. 70km) zeigten sich keinerlei signifikante Abnutzungserscheinungen.

 

 

DÄMPFUNG und LAUFDYNAMIK:

Der BOSTON11 bleibt ein leicht straffer aber gut gedämpfter Laufschuh! Dies liegt meiner Meinung nach am Lightstrike-Baselayer, der zwar viel Stabilität, aber wenig(er) weiche Dämpfung an den Tag legt. Nach einigen Kilometern und insbesondere bei verbessertem Tempo unter 5:00min/km zeigt der Boston11 jedoch sein „wahres Gesicht“. Er wirkt dann deutlich dynamischer und auch komfortabler.

Durch die Dual-Layer-Konstruktion aus Lightstrike & Lightstrike Pro in Verbindung mit den spürbaren „flexenden“ ENERGY RODS erzeugt der B11 beim Abrollen einen gelungenen Push-Effekt nach vorne. Dies liegt insbesondere daran, dass man bei höherem Tempo eher auf dem Mittel-/Vorfuß aufsetzt und dann vom größeren Anteil des Lightstrike Pro im Vorfußbereich des B11 profitiert. Der Push ist zwar insgesamt nicht so ausgeprägt wie bei den Top-Modellen, jedoch deutlich spürbar.

Für einen Carbon Laufschuh der Einstiegsklasse und insbesondere auch für den aufgerufenen, „günstigen“ Preis von ca. 160€/UVP bietet der Adidas Boston 11 eine sehr gelungene Performance. Durch die vorne leicht abgerundete Sohlenkonstruktion (Rocker) gestaltet sich der Abrollvorgang insgesamt sehr flüssig.

Aufgrund meiner Erfahrungen würde ich folgende Empfehlung für den Boston 11 geben: Für Läufer*innen mit einem „Race-Pace“ von 4:15min pro Kilometer und schneller, dürfte der Boston11 ein sehr gelungener Langstreckentrainer und Uptempo-Schuh sein. Für Läufer*innen mit einem „langsameren“ Race-Pace kann der Boston11 wahrscheinlich als Wettkampfschuh Verwendung finden. Der BOSTON11 ist für alle Strecken bis hin zur Marathon-Distanz absolut geeignet.

Mir persönlich ist der Boston11 im Highspeed-Bereich von deutlich unter 4:00min/km etwas zu „undynamisch und etwas zu schwergewichtig“ - obwohl er sich (bezogen auf sein Gewicht) leichter läuft als er tatsächlich ist! Adidas sollte dem Boston11 (künftig) eine komplette Lightstrike Pro-Mittelsohle ausgeben und durch einen sparsameren Materialeinsatz pro Schuh 50g einsparen. Dann wäre der Boston11 sicher ganz nah an den Top-Modellen „dran“.

 

ALTERNATIVEN:

Da der Boston11 „nur“ leicht modifiziert wurde, kann man natürlich auch zum Vorgänger greifen. Im aktuellen Sortiment bietet sich als flache Alternative der Adizero ADIOS 7 an, der jedoch keine Carbon-Elemente oder Stäbe besitzt. Die Mittelsohlenkonstruktion ist allerdings ähnlich: Auch hier WIRD ein dualer Mix aus Lightstrike & Lightstrike Pro verwendet.

Sollte man noch mehr Wert auf „Speed ​​& Performance“ legen, kann man mit Sicherheit auf den ADIZERO ADIOS PRO2 und den Takumi Sen8 zurückgreifen. Diese sind absolute „Referenz-Carbonracer!

Testbericht ADIOS PRO2

Testbericht TAKUMI SEN8

Freunde der Extrem-Dämpfung können den Adizero Prime X in Betracht ziehen, welcher mit ca. 50/40mm verspricht eine sehr große Bauhöhe und Dämpfung.

Ebenso kann man für die ruhigen, langen Dauerläufe auch den neuen ADISTAR CS in Augenschein nehmen, der zwar kein Leichtgewicht ist, aber eine stützende Konstruktion und haltbaren Mittelsohlenschaum besitzt. (LINK ADISTAR CS)

Hier der LINK zu den verfügbaren Adidas ADIZERO-Modellen:

 

KONKURRENZ-VERGLEICH:

Im „Carbon-Einstiegsbereich“ bieten sich folgende Vergleichs-Schuhe an:

Der Puma DEVIATE NITRO bietet für 160€ auch eine sehr beachtliche Performance. Er ist höher gedämpft und mit rund 300 g auch deutlich leichter. Die ausgeprägte PumaGrip-Sohle verschafft ihm „abseits der Straße“ und im leichten Matsch-Vorteil. Auf der anderen Seite ist er etwas „instabiler“ als der Boston11 und der Push-Effekt des B11 ist (zumindest im Neuzustand) etwas ausgeprägter. Meiner Meinung nach begegnen sich beide Schuhe insgesamt auf Augenhöhe.

Wer es „softer“ mag, nimmt den Puma, wer es etwas direkter und stabiler bevorzugt, den BOSTON10. Im Vergleich zum HOKA CARBON X3 ist zu konstatieren, dass die Dämpfungs-Eigenschaften beider Schuhe einander etwas ähneln. Beide sind „direkter ausgelegt“ und der „Carbon-Push“ ist spürbar. Auch sind beide ziemlich stabil, der Carbon X2 bietet das deutlich geringere Gewicht, allerdings auch zu einem höheren Preis. Unterschiedlich ist auch die Sprengung der beiden Schuhe, hier ist der Carbon X2 mit 5mm Sprengung etwas flacher gebaut als der Boston11. Beide gefallen mir als Long-Distance-Trainer und Uptempo-Schuhe sehr gut!

 

 

GESAMT-FAZIT:

Mit dem Adizero BOSTON11 hat Adidas weiterhin ein gutes CARBON-EINSTIEGS-MODELL im Sortiment. Für den aufgerufenen Preis von 160€/UVP erhält man eine ganze Menge „Hightech“: Der intelligente Mix der dualen Mittelsohle, inklusive implementierter Rückfuß-Carbonplatte und Energy-Rods zeigt eine gute Performance mit spürbaren Push-Effekt. Das Abrollverhalten ist sehr gelungen.

Auch die Passform und die Optik stimmen, lediglich das Gesamtgewicht bleibt aufgrund des üppigen Materialeinsatzes (Ober- & Außensohle) und des relativ „schweren“ Lightstrike weiterhin hoch. Trotz der enormen Bauhöhe besitzt der Boston11 eine gute Stabilität und ist somit für alle Läufertypen grundsätzlich geeignet.

Wer jedoch ein „Dynamik- & Dämpfungsmonster“ erwartet, muss bei Adidas „höher ins Adizero-Regal“ greifen, denn der B11 ist auf jeden Fall direkter und etwas straffer abgestimmt. Die Responsivität erreicht nicht das Top-Niveau, besitzt jedoch der Boston 11 eine tolle Langstreckentauglichkeit.

Für Hobbyläufer stellt er eine günstige Raceschuh-Alternative dar, für ambitionierte Läufer ist er ein vorzüglicher Long-Distance-Trainer und Uptempo-Schuh, denn gerade bei erhöhtem Tempo zeigt er sein wahres Gesicht und Läufer*innen „profitieren“ vom höheren Lightstrike Pro- Anteil im Vorfußbereich.

Der Adidas Adizero Boston 11 bietet nicht nur eine interessante Alternative in Sachen Laufvergnügen, sondern zusätzlich einen optisch gelungenen, sehr günstigen Einstieg in die „Welt der Carbon-Laufschuhe“.

Von daher gehen beide Daumen hoch!

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Fotos: eigene und Adidas