Carbon X3 im Test

 

Evolution oder Revolution?

HOKA bringt mit dem Carbon X3 (CX3) nunmehr bereits die dritte Version seines Carbon-Erfolgsmodells auf dem Markt.

Eigentlich sogar schon die 4. Version - denn es gab ja auch einen Carbon X SPE.

Was HOKA auszeichnet ist, dass man sich bereits vor ca. 4 Jahren entschlossen hatte, auch Carbon-Platten in seine Laufschuhe zu implementieren und somit eine enorme Expertise und umfassende Erfahrungswerte in diesem „Segment“ aufweisen kann.

Für den CX3 kündigte HOKA einige, signifikante Änderungen und Optimierungen an. Demzufolge war ich natürlich sehr gespannt darauf, diesen testen zu können. Shop4runners hat mir den Hoka Carbon X3 zur Verfügung gestellt, so dass ich diesen unabhängig von etwaigen Hersteller-Interessen testen konnte.

 

 

OPTIK & VERARBEITUNG:

Das asymmetrische Farbdesign verleiht dem Carbon X3 eine wirklich markante und auffallende Optik. Der vorliegende Colorway RADIANT YELLOW / CAMELLIA macht einen exzellenten Eindruck und bereitet schon optisch auf die kommende Sommer-Saison vor.

Natürlich bietet HOKA weitere Farbvarianten des CX3 an. Besonders auffallend ist das gestricke KNIT-Upper, welches ihn von vielen anderen Schuhen deutlich unterscheidet und sogar eine integrierte Sockenkonstruktion aufweist. Das Strick-Upper weist Bereiche mit größeren Perforationen auf, um die Belüftung sicherzustellen. Ebenso fallen die verlängerte Fersenlasche und das farbige Silikon Logo-Print auf - diese runden das Gesamtbild innovativ und markant ab.

Wie bislang bei allen von mir getesteten Modellen, schafft es HOKA auch dieses Mal, eine exzellente Verarbeitungsqualität „abzuliefern“. Sämtliche Nähte und Klebestellen sind extrem sauber ausgeführt auch das Knit-Upper weist keinerlei Fehler oder Unregelmäßigkeiten auf.

 

TECHNISCHE DATEN & PREIS:

Der Carbon X3 wiegt in US 12,5 (EU 47 1/3) 292g und ist somit rund 5g schwerer als der Carbon X2 (CX2). Eine Gewichtsreduktion konnte ich (entgegen der Hersteller-Angaben) folglich nicht feststellen. Mit diesem Gewicht gehört der CX3 zu den mittelschweren Carbon-Schuhen. Die Bauhöhe der Mittelsohle beträgt 32/27mm (30/25mm Damenversion), die Sprengung also 5mm.

HOKA liefert für den CX3 (seitlich auf der Mittelsohle aufgedruckt) sogar noch weitere technische Daten, wie zum Beispiel das … Mittelsohlenvolumen von 644cm3, die „Aufbiegungshöhe“ (Ground Offset) der Sohle von 36mm & 32mm (vorne und hinten), sowie die verbaute Carbonplatte mit der Bezeichnung „C001“. Hier erkennt man auch, dass es diesbezüglich konstruktiv kaum Unterschiede zum Carbon X2 gibt.

Mit einer UVP von 180€ liegt der HOKA Carbon X3 auf dem identischen Niveau seines Vorgängers und mithin eher im „günstigen“ / Einstiegsbereich von Carbon-Laufschuhen.

 

TECHNISCHE HIGHLIGHTS:

Natürlich bietet der Carbon X3 einiges an technischen Highlights.

KNIT-Upper:

HOKA verwendet, anders als in den Vorgängermodellen, ein spezielles Premium-Performance-Strick Upper. Dieses ist partiell durch Spezialfasern verstärkt und bietet unterschiedliche Perforationen und für eine optimierte Belüftung. Ebenfalls inkludiert ist eine sockenartige Konstruktion, die auf eine freistehende Zunge verzichten kann und so den Fit deutlich verbessern soll. Ebenso soll (so) ein Eindringen von Gegenständen verhindert werden.

 

CMEVA und PROFLY™ X

Neu entwickelt soll auch ist die obere Mittelsohlenschicht aus einem speziellen CMEVA sein.

CMEVA ? „CM“ = compression molded und dem Mittelsohlenmaterial „EVA“.

Hierbei wird das EVA in unter Druck und Wärmezufuhr in eine (Guss-) Form gepresst und nimmt dann exakt deren Maße an – es ähnelt ein wenig dem Backen mit einer Ausstechform. Aufgrund der Qualität und besonders der Detailtreue dieser Methode wird selbige von vielen Herstellern bevorzugt. Teilweise berichten Blogger bei der Mittelsohle sogar von einem „supercritical EVA“, welches noch einmal deutlich bessere Dämpfungseigenschaften und einen höheren Rebound generieren soll. Dies kann ich jedoch schon optisch nicht bestätigen.

Zum einen ist die Struktur des Mittelsohlenschaums nicht durch sog. Micro-Bläschen gekennzeichnet, die bei einer „Infusion“ regelmäßig entstehen und für eine besondere Softness & Energy Return sorgen. Ebenso spricht HOKA auf der eigenen Webseite immer noch („nur“) von einem CMEVA. Die untere EVA-Schicht des CX3 ist gummiert ausgeführt und fungiert wie schon beim Vorgänger auch als Außensohle. Zwischen diesen beiden Schichten ist die Carbonplatte in einer „tiefen Position“ implementiert. Das „Geometrie“ der beiden Schichten beträgt wiederum circa 80% zu 20%. Diese sogenannte Dual Density Mittelsohlen-Konstruktion mit Carbonplatte bezeichnet HOKA als ProFlyX-Sohle. Gerade hier will man maximalen Dämpfungskomfort, Dynamik sowie auch Haltbarkeit in Einklang bringen.

 

EARLY META ROCKER

„Rocker“ bezeichnet grundsätzlich eine Aufbiegung der Sohle im Vor/Rückfußbereich. Doch was bedeutet nun EARLY (META) ROCKER? Beim Hoka Early Meta Rocker beginnt die sog. „Transition Zone“ (quasi Aufbiegung) hinter den Metatarsal-Köpfen des Fußes (siehe Pics in der Galerie), also etwas mehr in Richtung Ferse. Dies soll zum einen ein besonders smoothes Abrollverhalten generieren und ganz speziell auch den Abrollvorgang (Transition) vom Rückfuß auf den Vorfuß beschleunigen. Weitere Infos zum Abrollverhalten findest du weiter unten.

 

 

PASSFORM:

Der CX3 ist auf einer relativ breiten Plattform aufgebaut, so dass selbige schon konstruktionsbedingt eine gute Basis für eine erhöhte Stabilität darstellen kann (dazu unten mehr). Das Strick-Upper ist extrem angenehm und anschmiegsam.

Der Fersenbereich nur leicht verstärkt, bietet jedoch einen guten Fersenhalt. Da die Schnürung auf ein zusätzliches Schnürloch verzichtet, kann man leider keine sogenannte „Marathon-Schnürung“ zur weiteren Optimierung des Lock-In vornehmen. Für schmalere Füße - insbesondere solche mit nicht so ausgeprägtem Spann ist die Socken-Konstruktion jedoch nicht ganz optimal, da man für eine optimale Verbindung des Fußes mit dem Schuh die Schnürung sehr eng ziehen muss. Der Zehenbereich bietet ausreichend Platz.

Hinweis: Besonders interessant dürfte die Socken-Konstruktion für Triathleten sein, da diese meiner Meinung nach deutliche Vorteile beim Einstieg in den Schuh bietet. Eine nicht vorhandene Zunge kann eben nicht verrutschen! Man muss lediglich ein Schnellschnür-System finden, welches weit genug für einen schnellen Einstieg eingestellt werden kann. Eventuell reicht ein einmaliges „Nachziehen“, um den Fuß fest im Schuh zu fixieren, damit die „Mittelsohlen-Carbon-Performance“ auch auf den Boden gebracht werden kann.

 

DÄMPFUNG & LAUFDYNAMIK & Co.:

Als ich den CARBON X3 zum ersten Mal schnürte musste ich feststellen, dass für meinen eher schmalen Fuß die Socken-Konstruktion nur bedingt ideal war. Diese schmiegte sich zwar im Bereich des Schaft’s gut an meinem Fuß jedoch musste ich im (vorderen) Mittelfußbereich (Spann) die Senkel deutlich enger schnüren, so dass es dort zu einem deutlichen Faltenwurf kam. Bei mittelbreiten und breiten Füße dürfte das Socken-Upper jedoch sehr gut passen. Hinweis: Diese Falten und auch die nicht gepolsterte Socken-Konstruktion bereiteten mir selbst bei LongRuns keinerlei Probleme. Die ersten Meter im CX3 waren jedoch etwas ernüchternd. Ich hatte den Eindruck, einen sehr straffen Schuh zu laufen.

Jedoch merkte ich nach 2-3 km, dass dies insbesondere daran gelegen hatte, dass ich in der Vergangenheit extrem viel in „weichen“ und hochgebauten Carbon-Schuhen gelaufen war, so dass mein Eindruck täuschte! Zum einen hat der CX3 eine deutlich geringere Stapelhöhe (32/27mm s.o.)

Zum anderen verwendet er eben keinen supersoften und hochdynamischen PEBA-Schaum (oder vergleichbar), sondern ein „normales EVA“. Allen EVA-Schäumen ist jedoch gemein, dass diese in Sachen Dämpfung und Energy Return nicht ganz mit den sog. „Highend“-Schäumen mithalten können.

Allerdings glänzen EVA-Mittelsohlen jedoch in Sachen Formstabilität und Dauerhaltbarkeit. Nach den ersten gelaufenen Kilometern und insbesondere nach weiteren absolvierten Läufen, konnte ich mich jedoch von der angenehmen Dämpfung des CX3 überzeugen.

Der Carbon X3 ist faktisch mittelhoch gedämpft (im Vergleich zu den anderen Carbon-Schuhen), leicht auf der straffen Seite und bietet im Zusammenspiel der Dual-Density-Mittelsohle und der Carbonplatte einen ordentlichen Rebound. Der Push-Effekt gegenüber Laufschuhen ohne Carbonplatte ist spürbar.

Abgerundet wird das Lauferlebnis durch die sehr gut gelungene Rockerkonstruktion, welche den Abrollvorgang spürbar einleitet und progressiv unterstützt. Zwar ist der Early-Rocker des CX3 nicht ganz so ausgeprägt wie zum Beispiel beim ASICS Noosa TRI13 oder dem Scott Carbon RC - jedoch ist ein extremer Rocker auch immer etwas Geschmackssache. Beim CX3 gestaltet sich der Abrollvorgang sehr natürlich und angenehm. Der Push ist natürlich nicht so ausgeprägt wie bei den Top-Carbon-Racern, jedoch punktet der CX3 in anderen Bereichen (siehe unten: Konkurrenz-Vergleich). Er zeigt sich insbesondere auch sehr ausgewogen in sämtlichen Tempobereichen und unterstützt meiner Meinung nach insbesondere auch Fersenläufer durch seine vergleichsweise hohe Stabilität im Abrollvorgang! Auch die Atmungsaktivität des CX3 gab keinerlei Anlass zur Kritik.

Meiner Meinung nach kann man den Carbon X3 auf sämtlichen Strecken bis hin zur Marathon-Distanz (und mehr) eingesetzt werden, natürlich auch bei Wettkämpfen. Für mich ist er jedoch eher ein Long-Distance Lightweight-Trainer und Uptempo-Schuh. Es wäre dennoch wünschenswert, wenn HOKA „die Zeichen der Zeit“ zumindest in einem Ihrer Carbon-Schuh-Modelle aufnehmen würde und entweder ein „Injected-EVA“, oder einen PEBA-Schaum inkludieren würde und auch die Carbon-Platte mit einem sog. „Spooning“ (S-Shaping/Biegung) versehen würde.

Meiner Meinung nach performen Carbon-Schuhe mit diesen „Merkmalen“ mit deutlich gesteigertem Energy Return und insbesondere geschwungene Carbonplatten zeigen (bei mir) signifikant höhere „Rückstellkräfte“.  Mit dem Rocket X und dem Carbon X und BONDI X hat Hoka ja bereits drei Modelle  im Carbon Laufschuh-Sortiment und mit dem Tecton X startet aktuell bereits eine Carbon-Trail-Rakete (Testbericht folgt zeitnah!). Somit wäre – für mich - ein „Top-Modell“ mit „HighEnd-Materialien“ wünschenswert.

 

GRIP:

Die gummierte EVA-„Außen“-Sohle ist relativ weich und hat kaum Profil.
Dementsprechend ist der GRIP insbesondere auf trockenem Asphalt sehr gut. Bei Nässe gilt es, in engen Kurven Vorsicht walten zu lassen. Auf trockenen, gut ausgebauten Wald- und Parkwegen ist die Griffigkeit immer noch auf ordentlichem Niveau. Bei Nässe/Matsch würde ich derartige Lauf-Untergründe jedoch eher vermeiden!

 

 

HALTBARKEIT:

In Sachen Haltbarkeit spielt der Carbon X3 ganz vorne mit! Das CMEVA bietet hier eine sehr gute Dauerhaltbarkeit und Formstabilität. Selbst nach weit über 200 gelaufenen Kilometern zeigt diese beim Vorgänger (CX2) kaum Faltenwurf und nur geringe Deformationen. Auch in Sachen Dämpfung und Energy Return sind (bei diesem) keine „Einbußen“ erkennbar. Da die Mittelsohlen-Konstruktion des CX3 nahezu identisch ist, dürften diese Erfahrungen höchstwahrscheinlich auch für ihn gelten.

In Sachen Laufleistungs-Prognose sind daher durchaus Werte jenseits der 600km möglich. Allerdings muss man hier etwas differenzieren: Die gummierte EVA-Außensohle ist nicht ganz so abriebsfest wie „normale Außensohlen“. Dies führt dazu, dass man hier relativ schnell geringe Abnutzungsspuren erkennt. Auf der anderen Seite ist diese Außensohlen-Schicht extrem dick und fungiert zusätzlich auch als Dämpfung.

Somit kann man meiner Meinung nach entsprechende abgenutzte Bereiche mit entsprechenden Gummi-Patches beim „Schuster seines Vertrauens“ reparieren lassen. Denn die Mittelsohlenkonstruktion selbst ist mit Sicherheit für viele Kilometer gut!

 

ALTERNATIVEN DES HERSTELLERS:

Natürlich bietet HOKA auch abseits der Carbon-Laufschuhe äußerst interessante Modelle an. Hier ist insbesondere der RINCON 3 zu nennen. Dieser superleichte und luftige Neutral-Laufschuh besitzt eine sehr komfortable Dämpfung und durch die Early Rocker-Konstruktion ein dynamisches Abrollverhalten. Daneben sollte man durchaus auch einen Blick auf den Komfort-Klassiker CLIFTON 8, einem der meistverkauften HOKA Straßen-Laufschuhe werfen. Dieser bietet einen außergewöhnlichen Komfort, ohne dabei auf Leichtigkeit zu verzichten. Auch er hat das bewährte CMEVA und den Early Meta Rocker „an Board“, der die Läufer*innen in Sachen Abrolldynamik wirksam unterstützt.

Wer Carbon liebt, kann natürlich auch einen Blick auf den Rocket X werfen. Dieser ist etwas minimalistischer konstruiert als der Carbon X3 und bietet eine Carbon Performance zum günstigen Preis. Jan Frodeno lief diesen Schuh übrigens bei seiner „Battle Royale“ im Jahr 2021.

Hier der Link zu den genannten HOKA-Modellen: 

 

Konkurrenzvergleich:

Wie oben bereits dargelegt, kann der Carbon X3 nicht mit den Referenzen von Nike, Saucony, Adidas und Puma mithalten. Seine Konkurrenten – auch preislich - sind eher der Scott Carbon RC, oder ein Puma Deviate Nitro. Gegenüber dem Scott RC kann der CX3 eine höhere Stabilität und eine softerer Abstimmung ins Feld führen, ebenso einen günstigeren Preis.

Der Puma Deviate Nitro ist deutlich softer abgestimmt und bietet eine wesentlich griffigere Außensohlen-Konstruktion, ebenso ist seine UVP etwas niedriger. Der CX3 kontert jedoch mit einem sehr ausgewogenen Abrollverhalten, deutlich gesteigerter Stabilität und einer angenehm straffen Dämpfung mit etwas höherem Pusheffekt.

 

 

GESAMTFAZIT:

Mit dem Carbon X3 gelingt HOKA zwar keine Revolution aber eine durchaus interessante Evolution! Seine UVP ist absolut im Rahmen geblieben und vergleichsweise „günstig“. Die Verarbeitung ist tadellos und die Optik ist absolut begeisternd. Durch seine enorme Stabilität und sehr gute Performance -insbesondere auch für Fersenläufer- erschließt er eine gänzlich andere Zielgruppe als die Top Carbon-Racer.

Gerade „schwerere“ und Fersenläufer*innen werden mit Sicherheit Gefallen an ihm finden. Die ProFlyX-Mittelsohle erzeugt eine angenehme Dämpfung mit ordentlichem Rebound, der durch die Carbonplatte wirksam flankiert wird. Hierbei unterstützt die gelungene Early Meta Rocker Konstruktion den Abrollvorgang zusätzlich.

Auch wenn der „Push-Effekt“ nicht ganz auf dem Niveau der Top-Racer liegt, weiß der Carbon X3 dennoch zu begeistern.

Insgesamt reiht sich der CX3 im guten Mittelfeld der Carbon-Laufschuhe ein und bietet dort eine sehr interessante, stabile, haltbare und durchaus preiswerte Alternative.

 

Fotos: HOKA und eigene